Diskriminierungsbericht 2024: Gehörlose und schwerhörige Menschen weiterhin systematisch benachteiligt
Der Schweizerische Gehörlosenbund SGB-FSS schlägt Alarm: Der Diskriminierungsbericht 2024 zeigt eine besorgniserregende Zunahme an Benachteiligungen von gehörlosen und schwerhörigen Menschen. Trotz klarer gesetzlicher Vorgaben und internationaler Verpflichtungen werden ihnen grundlegende Rechte in den Bereichen Arbeit, Bildung, Gesundheit und soziale Teilhabe weiterhin systematisch verwehrt.
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Erhebliche Barrieren in allen Lebensbereichen – der Staat versagt!
Der Bericht fasst zahlreiche Diskriminierungsfälle zusammen, die dem Rechtsdienst des SGB-FSS im vergangenen Jahr gemeldet wurden. Diese Fälle zeigen unmissverständlich, dass gehörlose und schwerhörige Menschen nach wie vor in sämtlichen Lebensbereichen auf massive Hindernisse stossen – nicht aufgrund ihrer Behinderung, sondern wegen eines strukturellen Versagens von Behörden, Institutionen und Arbeitgebern.
Arbeitsmarkt: Diskriminierung durch Ignoranz und Bequemlichkeit
Dass Inklusion auf dem Arbeitsmarkt in der Schweiz nach wie vor eine leere Worthülse ist, zeigt das Beispiel von Frau B. Sie wurde zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen, doch da keine Gebärdensprachdolmetscherin verfügbar war, bat sie um eine Terminverschiebung. Die Antwort des Arbeitgebers? Eine Absage – mit der Begründung, der organisatorische Aufwand sei zu hoch. Das ist kein Einzelfall, sondern gelebte Realität für viele gehörlose Menschen. Ignoranz und Vorurteile verbauen ihnen systematisch den Zugang zum Arbeitsmarkt.
Bildung: Behörden torpedieren Weiterbildung
Bildung sollte für alle zugänglich sein – doch für gehörlose Menschen bleibt sie oft ein unerreichbares Privileg. So wurde Frau M. die Teilnahme an einer Weiterbildung im Bereich Social Media faktisch verweigert, weil die Invalidenversicherung (IV) die Kosten für Gebärdensprachdolmetscher*innen nicht übernehmen wollte. Selbst nach mehrfachen Interventionen des SGB-FSS blieb die Behörde stur. Diese Verweigerungshaltung zeigt deutlich: Die IV nimmt die Rechte gehörloser Menschen nicht ernst – und sabotiert aktiv deren berufliche Entwicklung.
Gesundheitswesen: Spitäler verweigern gehörlosen Menschen Behandlung
Besonders alarmierend ist die Situation im Gesundheitswesen. Immer wieder wird gehörlosen Patientinnen der Zugang zur medizinischen Versorgung erschwert, weil Spitäler sich weigern, die Kosten für Gebärdensprachdolmetscherinnen zu übernehmen. Ein besonders skandalöses Beispiel ist der Fall von Frau M., die von einem Spital abgewiesen wurde, weil kein Dolmetscher gestellt wurde. Erst durch rechtlichen Druck konnte diese himmelschreiende Diskriminierung rückgängig gemacht werden. Doch solche Fälle zeigen: Ohne massiven Widerstand werden gehörlose Menschen weiterhin im Stich gelassen.
Behörden: Grundrechte? Fehlanzeige!
Auch der Kontakt mit Behörden ist für gehörlose Menschen oft eine Zumutung. Ein besonders drastisches Beispiel ist Herr P., dem eine regionale Arbeitsvermittlung die Anmeldung verweigerte – weil er keinen Dolmetscher mitbrachte. Selbst als er eine Bekannte als Unterstützung mitnahm, wurde ihm der Zugang verwehrt. Ein klarer Verstoss gegen die Bundesverfassung – und dennoch Realität in der Schweiz.
Forderungen des SGB-FSS: Es reicht!
Es kann nicht sein, dass gehörlose und schwerhörige Menschen auch 2024 noch um ihre grundlegendsten Rechte kämpfen müssen. Der Schweizerische Gehörlosenbund fordert von Bund, Kantonen und Gemeinden:
- Eine verbindliche und flächendeckende Finanzierung von Gebärdensprachdolmetscher*innen in allen relevanten Bereichen.
- Klare gesetzliche Regelungen zur Kostenübernahme von behinderungsbedingten Mehrkosten.
- Verpflichtende Sensibilisierung und Schulung von Arbeitgebern, Behörden und Gesundheitsinstitutionen, um Diskriminierung aktiv zu verhindern.
Die Schweiz hat sich mit der Ratifizierung der UNO-Behindertenrechtskonvention verpflichtet, eine diskriminierungsfreie Gesellschaft zu gewährleisten. Doch bisher bleiben diese Versprechen nichts als leere Worte. Der SGB-FSS fordert die politischen Entscheidungsträger*innen auf, endlich zu handeln – und die Rechte gehörloser und schwerhöriger Menschen nicht länger zu ignorieren!
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Für Rückfragen oder Medienanfragen wenden Sie sich an Ben Jud, Media Relations und Pressesprecher: media@sgb-fss.ch
Wenn Sie selbst eine Benachteiligung oder Diskriminierung aufgrund Ihrer
Gehörlosigkeit erfahren haben, wenden Sie sich an den Rechtsdienst des
Schweizerischen Gehörlosenbundes.
Kontaktaufnahme per E-Mail: rechtsdienst@sgb-fss.ch
Publiziert am 18. Februar 2025