Ein Gebärdensprachengesetz, die Forderung des Schweizerischen Gehörlosenbundes
Nach eingehender Prüfung des Bundesratsberichts zur «Möglichkeit der rechtlichen Anerkennung der Schweizer Gebärdensprachen» ist der Schweizerische Gehörlosenbund zum Schluss gekommen, dass nur die Ausarbeitung eines Bundesgesetzes über die Gebärdensprachen der Sprache der Gehörlosen einen offiziellen Status verleihen und gleichzeitig ihre Kultur und ihre Rechte durch eine Reihe von konkreten Massnahmen fördern kann.
Nach Ansicht des Schweizerischen Gehörlosenbundes ist die rechtliche Anerkennung der Gebärdensprachen eine unabdingbare Voraussetzung, um die Situation der gehörlosen und hörbehinderte Menschen in der Schweiz zu verbessern und die ihnen zustehenden Rechte zu wahren. Der Gehörlosenbund war folglich sehr enttäuscht, als der Bundesrat im September 2021 seinen Bericht zur «Möglichkeit der rechtlichen Anerkennung der Schweizer Gebärdensprachen» mit der Feststellung abschloss, dass eine rechtliche Anerkennung keine zwingende Voraussetzung für die Förderung der Anliegen von gehörlosen und hörbehinderten Menschen in der Schweiz sei.
Wie kann der Bundesrat dies behaupten, wenn gehörlose und hörbehinderte Menschen nach wie vor jedes Jahr – trotz bestehender Gesetze und anderer Massnahmen auf Bundes- und Kantonsebene – immer wieder Opfer von Diskriminierungen werden? Für den Schweizerischen Gehörlosenbund kann diese Situation nicht länger andauern. Deshalb fordert er heute – nach einer gründlichen Analyse des Berichts des Bundesrates – die Notwendigkeit eines Gebärdensprachgesetzes.
Eine Verfassungsänderung hätte zwar einen grösseren symbolischen Wert, würde aber keine direkte und konkrete Verbesserung bewirken. Die bestehenden Rechtsgrundlagen sind lückenhaft; keine von ihnen würde die rechtliche Verankerung von Gleichstellungsbestimmungen erlauben, die sämtliche Alltagsbereiche von gehörlosen und hörbehinderten Menschen abdecken.
Der Schweizerische Gehörlosenbund ist überzeugt: Nur ein Gebärdensprachgesetz wird es ermöglichen, nicht nur die Schweizer Gebärdensprachen, sondern auch die Kultur der gehörlosen Menschen anzuerkennen und eine ganze Reihe von Massnahmen vorzuschlagen, welche die elementaren Bereiche des täglichen Lebens wie das Recht auf Information, Kommunikation, Arbeit, Gesundheit, Bildung oder auch Kultur zentral abdecken. Einzig diese Lösung würde es erlauben, die Gehörlosengemeinschaft endlich als echte kulturelle Minderheit mit eigener Sprachidentität anzuerkennen.
Zwar ist diese Lösung in der Schweiz neuartig, aber wie die Präsidentin des Schweizerischen Gehörlosenbundes, Tatjana Binggeli, in Erinnerung ruft: «Andere europäische Länder wie Schottland oder Island haben bereits erfolgreich nationale Gebärdensprachgesetze umgesetzt.»
Publiziert am 28. März 2022