Tessin: Es ist Zeit, die Gebärdensprache anzuerkennen!
Am Sonntag, 30. Oktober 2022, halten die Tessinerinnen und Tessiner den Schlüssel zur Zukunft ihrer gehörlosen Mitbürgerinnen und Mitbürger in Händen. In der Tat befinden sich unter den zur Abstimmung kommenden Themen Massnahmen zur Barrierefreiheit und zur Integration von Menschen mit Behinderungen, vor allem aber auch die Anerkennung der Gebärdensprache durch die Tessiner Verfassung – worum sich der Schweizerische Gehörlosenbund seit vielen Jahren bemüht.
Die Gehörlosengemeinschaft des Kantons Tessin zittert förmlich vor Ungeduld. In wenigen Tagen erlebt sie einen lang ersehnten Moment: das Resultat der wichtigen politischen und Sensibilisierungsarbeit, welche der Schweizerische Gehörlosenbund geleistet hat. Am 30. Oktober 2022 entscheiden die Tessiner Bürgerinnen und Bürger über die Aufnahme des Artikels 13a in die kantonale Verfassung und damit über die Integration von Menschen mit Behinderungen sowie über die Anerkennung der Gebärdensprache. Dieser Verfassungsartikel sieht vor, dass Menschen mit Behinderungen garantierten Zugang zu öffentlichen Informationen in einer ihnen verständlichen Form erhalten. Von diesem neuen Gesetz werden also alle Menschen mit sensorischen, physischen, kognitiven oder psychischen Behinderungen profitieren.
Die Initiative, die diese Verfassungsänderungen, darunter auch die Anerkennung der Gebärdensprache, forderte, wurde im April 2022 vom Grossen Rat einstimmig angenommen. Wenn der Artikel 13a auch durch die Volksabstimmung befürwortet wird, dann verankert er die Gebärdensprache in der Tessiner Verfassung und liefert eine solide juristische Grundlage für konkrete Forderungen zugunsten gehörloser Menschen im Alltag.
Tatjana Binggeli, Präsidentin des Schweizerischen Gehörlosenbunds, betont dies: «Erst durch die rechtliche Anerkennung der Gebärdensprache haben gehörlose Menschen endlich ein angepasster Zugang zur öffentlichen Verwaltung sowie zu öffentlichen Diensten und können in kritischen Bereichen wie Bildung und Zugang zum Gesundheitswesen von gleichen Rechten profitieren.»
Diese Volksabstimmung ist eine Gelegenheit, die nicht verpasst werden darf: Nach Zürich und Genf könnte das Tessin der dritte Kanton der Schweiz werden, dessen Verfassung die Gebärdensprache offiziell anerkennt. Die Gehörlosen im Tessin und der Schweizerische Gehörlosenbund erwarten die Unterstützung aller Tessinerinnen und Tessiner für eine gerechtere und integrativere Zukunft und dass das Tessin damit ein Beispiel für den Ständerat gibt, der ebenfalls noch über die Anerkennung der Gebärdensprache auf nationaler Ebene entscheiden muss.
Publiziert am 5. Oktober 2022