Anerkennung der Gebärdensprachen
Die rechtliche Anerkennung der Gebärdensprachen ist eine unabdingbare Voraussetzung, um die Rechte von gehörlosen Menschen zu garantieren. Zur Gewährleistung dieser Rechte, sind neben der Anerkennung auch Massnahmen zur Förderung der Gebärdensprache und zur Gleichstellung von gehörlosen und hörbehinderten Personen erforderlich. Hierfür braucht es ein Gebärdensprachgesetz.
Wir fordern ein Gebärdensprachgesetz zur Anerkennung und Förderung der Gebärdensprachen sowie zur Gleichstellung von gehörlosen und hörbehinderten Menschen.
Forderung vom Schweizerischen Gehörlosenbund
Was bedeutet ‹Anerkennung der Gebärdensprachen›?
Warum braucht es ein Gebärdensprachgesetz?
Ein Gebärdensprachgesetz ist die beste Lösung, um nicht nur die rechtliche Anerkennung, sondern auch die Gleichstellung- und Sprachfördermassnahmen einheitlich zu regeln.
- Die Gebärdensprachen sind die Muttersprachen gehörloser Personen und sind ein Menschenrecht.
- Die drei Schweizer Gebärdensprachen sind eigenständige Sprachen und kein Hilfsmittel für behinderte Personen (wie beispielsweise die Brailleschrift für blinde Menschen).
- Die Gebärdensprachen sind ein fundamentales Element für die Identität von gehörlosen Personen und ein zentraler Bestandteil der gemeinsamen Kultur.
- Die Schweiz hat sich gegenüber der UNO-BRK verpflichtet, die Gebärdensprachen und die Gehörlosenkultur anzuerkennen und zu fördern.
- Die Gebärdensprachen müssen gefördert werden, um das Erlernen, die Weiterentwicklung und der Erhalt der Sprachen zu gewährleisten. So kann auch die Kultur gehörloser und hörbehinderter Menschen besser geschützt werden.
- Gehörlose Personen sind im Alltag leider immer noch mit unterschiedlichen Diskriminierungen konfrontiert. Es braucht ein Gebärdensprachgesetz zur Gewährleistung der gleichen Rechte für gehörlose Personen.
Die Gebärdensprache ist ein Menschenrecht!
Dr. Tatjana Binggeli, Geschäftsführerin
Fakten
Die Schweiz als letztes europäisches Land für die Anerkennung der Gebärdensprachen
Sämtliche Länder in Europa haben deren Gebärdensprachen auf nationaler Ebene anerkannt. So sind zum Beispiel manche Rundfunkunternehmen verpflichtet, die Inhalte in den Gebärdensprachen zur Verfügung zu stellen. Oder Kinder haben ein unbestrittenes Anrecht auf das Erlernen der Gebärdensprachen.
Die Gebärdensprachen sind ein Menschenrecht
Kein Mensch darf aufgrund seiner Sprache diskriminiert werden. Das steht sowohl in den Menschenrechtsverträgen als auch in der Schweizer Bundesverfassung. So darf keine Person aufgrund der Sprache, schlechter gestellt und behandelt oder gar ausgeschlossen werden.
Eine Gebärdensprache ist eine eigenständige Sprache
Die Schweizer Gebärdensprachen sind eigenständige Sprachen, haben eine Grammatik und unterliegen den Veränderungen der Zeit. Wie jede Sprache ist auch die Gebärdensprache nicht nur ein Mittel zur Kommunikation, sondern Identifikation und Inklusion.
Sprachen sind Teil der Kultur
Sprachen gehören zur Kultur und sollten geschützt und gefördert werden. Die Schweizer Gebärdensprachen sind seit 2023 Teil des UNESCO Kulturerbe und wurden in die Liste der lebendigen Traditionen aufgenommen.
Medienmitteilung Gebärdensprachen als UNESCO Kulturerbe
Kantone sind weiter als der Bund
Die Kantone Zürich, Genf, Tessin und Neuchâtel haben die Gebärdensprachen in ihrer Verfassung bzw. im Gesetz anerkannt. Der Bund hat die Anerkennung der Gebärdensprachen bisher nicht umgesetzt. Konkrete Massnahmen sind aber auch bei den Kantonen nicht vorhanden.
Geschichte der ‹Anerkennung der Gebärdensprachen›
Juni 1993: Schweizerische Gehörlosenbund reicht Petition ein
Der Schweizerische Gehörlosenbund reicht am 18. Juni 1993 die Petition ‹Anerkennung der Gebärdensprache› ein. Im Dezember 1994 stimmt der Ständerat der Petition zu.
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Oktober 1994: 1. Postulat zur Anerkennung der Gebärdensprache wird angenommen
Der Nationalrat nimmt das Postulat ‹Gebärdensprache. Anerkennung› an und überweist es an den Bundesrat. Der Bundesrat wird damit ersucht, die Gebärdensprache zur Integration von Gehörlosen und hörbehinderten Menschen anzuerkennen und sie, nebst der Lautsprache, in Bildung, Ausbildung, Forschung und Vermittlung zu fördern.
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Mai 2014: Schweiz ratifiziert UNO-BRK
Die UNO hat an der Generalversammlung vom 13. Dezember 2006 die Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UNO-BRK) verabschiedet. Darin werden die Gebärdensprachen als eigenständige Sprache definiert und die unterzeichnenden Staaten verpflichtet, die Gebärdensprachen und die Gehörlosenkultur anzuerkennen. Im Mai 2014 hat die Schweiz diese Konvention ratifiziert.
Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
Hintergrund UNO-BRK (englisch)
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Juni 2019: Postulat zur rechtlichen Anerkennung der Schweizer Gebärdensprachen wird eingereicht
Matthias Reynard, Regula Ritz, Christian Lohr und Marco Romano haben je ein Postulat ‹Möglichkeiten der rechtlichen Anerkennung der Schweizer Gebärdensprachen und konkrete praktische Umsetzungsmassnahmen zur vollständigen Teilhabe› gleichzeitig eingereicht.
Postulat 19.3684 (Reynard Mathias)
Postulat 19.3672 (Romano Marco)
Postulat 19.3670 (Lohr Christian)
Postulat 19.3668 (Rytz Regula)
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September 2021: Bericht vom Bundesrat zur Anerkennung der Gebärdensprache
Der Bundesrat beauftrag das EDI mit den Vertretern der Gehörlosengemeinschaft, den Kantonen und weiteren Akteuren die Verbesserungsmöglichkeiten vertieft zu prüfen.
Medienmitteilung des Bundesrats
Bericht des Bundesrats
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März 2022: Gutachten zur Anerkennung der Gebärdensprache von Prof. Dr. iur. Kurt Pärli
Prof. Dr. iur. Kurt Pärli hat ein Gutachten zur “Möglichkeiten der Anerkennung der Gebärdensprache auf Gesetzesstufe“ verfasst. Im Gutachten ist festgehalten, dass es eine Erweiterung des Sprachengesetzes oder ein eigenständiges Gebärdensprachgesetz braucht. Zudem wird empfohlen, dass neben der Anerkennung der Gebärdensprachen auch die Gleichstellung von gehörlosen und hörbehinderten Menschen miteingeschlossen werden soll.
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Dezember 2022: Annahme der Motion Anerkennung der Gebärdensprachen durch ein Gebärdensprachgesetz
Die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats (WBK-N) reicht im März 2022 die Motion “Anerkennung der Gebärdensprache durch ein Gebärdensprachengesetz” (22.3373) ein. Sowohl der Nationalrat (Juni 2022) als auch der Ständerat (Dezember 2022) nehmen die Motion an. Das eidgenössische Parlament gab somit dem Bundesrat den Auftrag, ein Bundesgesetz zur Anerkennung und Förderung der Gebärdensprachen sowie der Gleichstellung von gehörlosen und hörbehinderten Menschen zu schaffen (Motion 22.3373).
Motion 22.3373
Medienmitteilung des Schweizerischen Gehörlosenbundes
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Dezember 2023: Vernehmlassung Teilrevision BehiG
Der Bundesrat möchte die Gebärdensprachen im Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) rechtlich anerkennen und schickt einen entsprechenden Vorschlag in die Vernehmlassung. Damit missachtet der Bundesrat den Willen des Parlaments und die Forderung ein Gebärdensprachengesetz zu schaffen. Zudem fehlen im Vorschlag konkrete Massnahmen zur Sprachförderung und Gleichstellung gehörlosen und hörbehinderten Menschen.
Medienmitteilung des Schweizerischen Gehörlosenbundes
Medienmitteilung Bundesrat
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April 2024: Antwort auf die Vernehmlassung vom Schweizerischen Gehörlosenbund
Der Schweizerische Gehörlosenbund fordert eine konsequente Umsetzung der Motion 22.3373.
Es muss ein Bundesgesetz zur Anerkennung und Förderung der drei Schweizer Gebärdensprachen sowie zur Gleichstellung von gehörlosen und hörbehinderten Menschen geschaffen werden.
Der Bundesrat muss konkrete Sprachfördermassnahmen und Förderprogramme erlassen.
Die Anerkennung der Gebärdensprachen muss einen Einfluss auf den Alltag von gehörlosen und hörbehinderten Menschen haben. Dafür braucht es konkrete und verbindliche Unterstützungsmassnahmen.
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